Sigmund Freud und seine Nachfolger waren jehrelang fest davon ĂŒberzeugt, dass die Entwicklung des Gehirns in der Kindheit oder im frĂŒhen Jugendalter beendet sei. Zwar ist das neuronale Entwicklungspotenzial in dieser Lebensspanne tatsĂ€chlich am höchsten; doch inzwischen wissen wir, dass sich die eigene geistige LeistungsfĂ€higkeit auch wĂ€hrend des Alterungsprozesses erhalten, ja sogar noch weiter steigern lĂ€sst.
Aus dem wachsenden Fundus neurowissenschaftlicher Untersuchungen sowie die annerkannten Forschungsergebnisse der Psychologie und verwandter Disziplinen ergeben sich vier Stretegien, die sich ĂŒberlappen und ergĂ€nzen.
1. Schritt: Machen Sie vielfÀltige Erfahrungen
Welche biologischen Auswirkungen es auf das Gehirn hat, wenn wir unseren Erfahreungshorizont erweitern, ist den Neurowissenschaftlern schon seit LĂ€ngerem bekannt. Doch erst seit Kurzem wissen sie, wie das Gehirn Erfahrungen verarbeitet und zu Lerninhalten kodiert und auf diese Weise seine LeistungskapazitĂ€t erhöht: Sie haben neuronale Systeme entdeckt, die bestimmte Objekte, Menschen und Handlungen in der AuĂenwelt reprĂ€sentieren. Die sogenannten Spiegelneuronen, aus denen diese System bestehen, beschleunigen und prĂ€zisieren unsere Wahrnehmungsprozesse, indem sie Objekte und AktivitĂ€ten in unserer Umgebung mental imitieren. Die Erkenntnis, dass diese Nervenzellen unsere Ă€uĂere Welt gewissermaĂen „widerspiegeln“, ist ein Quantensprung auf dem Gebiet der Neurowissenschaften: Jetzt haben wir eine viel genauere Vorstellung davon, wie Menschen ihre Umwelt begreifen und bewĂ€ltigen. Erfahrung durch Beobachtung aktiviert die Spiegelneuronen. So werden Lernprozesse beschleunigt, und unsere LernfĂ€higkeit und die LeistungsfĂ€higkeit unseres Gehirns nehmen zu.
FrĂŒher gingen die Wissensahflter davon aus, dass Menschen neue Fertigkeite nur durch Ăbung erlernen; doch dank der Spiegelneuronen können wir solche FĂ€higkeiten auch durch Beobachtung entwickeln.
NatĂŒrlich ist direkte Erfahrung nach wie vor das Fundament unserer geistigen Entwicklung – doch allmĂ€hlich wird uns immer klarar, wie wir solche Erfahrungen den Weg ebnen können. Eines der besten Trainings zur StĂ€rkung des Gehirns einer FĂŒhrungskraft ist der „Walkabout“. Im GeschĂ€ftsjargon heiĂt diese „Management by walking around“: Der Manager verlĂ€sst sein BĂŒro, macht in seiner Abteilung oder seinem Unternehmen die Runde und redet mit den Mitarbeitern. Das ist nicht nur eine gute Managementmethode, sonder auch ein wirksames kognitives Training.
2. Schritt: Spielen Sie wieder
Das Verb „spielen“ wird normalerweise als AktivitĂ€t (alleine oder in einer Gruppe) definiert, die auf Fantasie beruht und Lernprozesse und neue Entdeckungen begĂŒnstigt. Einer anderen Definition zufolge ist Spielen eine soziale AktivitĂ€t, die jene FĂ€higkeiten fördert, die der amerikatnische Psychologe Daniel Goleman als emotionale und soziale Intelligenz bezeichnet. Das Substantiv „Spiel“ bezieht sich auf eine TĂ€tigkeit, die ein Mensch zum SpaĂ oder zur Entspanung betreibt. Beides hat also einen starken Bezug zu Genuss und ist eng mit dem Belohnungssystem unseres Gehirns verbunden.
Um das richtige Umfeld fĂŒr eine optimale Gehirnetnwicklung zu schafen, mĂŒssen Sie sich auf eine schwierige Gratwanderung zwischen Risiko und Sicherheit begeben. Denn Mensche engagieren sich nur dann wirklich, wenn etwas fĂŒr sie auf dem Spiel steht.
Risiken versetzen das Gehirn in Alarmbereitschaft und aktivieren unsere Vorstellungskraft und unsere FĂ€hikeit zu logischem Denken. Wenn Sie in Ihrer berfulichen Karriere nicht ab und zu auch ein paar Risiken eingehen, werden Sie sich vielleicht bald wie ein ĂŒbermĂ€Ăig behĂŒtetes Kind verhalten, das die Welt nicht selbststĂ€ndig zu erkunden wagt und deshalb auch niemals sine volles Leistungspotenzial erreichen kann. Zu groĂe Risikobereitschaft wiederum ereugt Stress und aktiveirt die Amygdala und andere limbische Hirnregionen, die unser gehirneigenes Sicherheitssystem bilden. Wenn das limbische Sstem aktiv wird, fĂ€llt unser Gehirn in instinktive, programmierte Ăberlebensmechanismen zurĂŒck, statt höher entwickelte, erlernte Verhaltensweise zu aktivieren.
3. Schritt: Trainieren Sie Ihre linke GehirnhÀlfte
Warum ist die linke GehirnhĂ€lte so wichtig? Die linke HirnhemisphĂ€re ist maĂgeblich fĂŒr Steuerungsfunktionen in unseren Gehirn verantwortlich. Sie koordiniert unser Denken und Handeln auf Ă€uĂerst effiziente und effektive Weise. Sie bildet die Grundlage fĂŒr das wichtigste kognitive Instrument das uns zur VerfĂŒung steht, die Mustererkennung, wie es der amerakanisch WirtschaftsnobelpreistrĂ€ger und Sozialwissenschaftler Herbert Simon bezeichnet. Dank dieser FĂ€higkeit nimmt das Gehirn unsere Umgebung wahr, erkennt und ordnet riesige Datenmengen und leitet einen Sinn daraus ab. So können wir eine Situation rasch einschĂ€tzen und richtig darauf reagieren.
Dabei lĂ€uft in unserem Gehirn eine komplexe Kettenreiaktion ab, die höchstes Abstraktions- und Reflexionsvermögen erfodert; das Fundament dafĂŒr bilden tief in unserem Inneren gespeicherte Erfahreungsdatenbanken. Wie wichtig diese Mustererkennung (eine fĂŒr FĂŒhrungskrĂ€fte unentbehrliche Funktion des Gehirns) ist, zeigt sich zum Beispiel an unserer FĂ€higkeit, zu abstrahieren und zu verallgemeinern, ohne einen Sachverhalt dabei allzu sehr zu vereinfachen. FĂŒr einen Manager, der darum kĂ€mpft, sich in einem rasch verĂ€ndernden GeschĂ€ftsumfeld zurechtzufinden, ist eine gut augebildete FĂ€higkeit, Muster zu erkennen, viellicht der gröĂte Wettbewerbsvorteil, den es gibt.
Nehmen Sie sich vor, immer wieder mit neuen Systemen und Denkweisen zu beschĂ€ftigen. Wenn Sie das nur hin und wieder tun, nĂŒtzt es nicht viel; denn der Sinn der Sache besteht darin, gedanklich mit vielen verschiedenen Situationen und Szenarien in BerĂŒhrung zu kommen, damit Ihr Gehirn einen möglichst reichen Erfahrungsschat kodieren kann.
Hören Sie sich verschiedene Meinungen zu einem Thema an; lesen Sie Artikel und BĂŒcher zu Fragen, mit denen Sie sich bisher noch nie beschĂ€ftigt haben, und begeben Sie sich in Umfelder, die Ihnen gezielte, intensive Lernerfahrungen ermögliche. Solche Erfahrungen (vor allem wenn es dabei um Ihr eigenes Unternehemen oder Ihren Beruf geht) erweitern Ihr Vokabular, das Spektrum Ihrer besgrifflichen Vorstellungen und ganz allgemein Ihre Perspektive. Wenn Sie sich auf solche geistigen Entdeckungsreisen einlassen, werden Sie Ihre eigene Denkweise automatisch hinterfragen, und Ihre FĂ€higkeit, Muster zu erkennen, wird sich verbessern.
4. Schritt: Trainieren Sie Ihre rechte GehirnhÀlte
FrĂŒher waren die Neurowissenschaftler der Ansicht, das die rechte GehirnhĂ€lte der linken in ihren kognitiven Funktionen unterlegen sei, weil die linke HemisphĂ€re fĂŒr unsere sprachlichen FĂ€higkeiten und unsere lineare Logik zustĂ€ndig ist. Viele Jahre lang wussten sie nicht, was fĂŒr eine wichtige Rolle die rechte GehirnhĂ€lfte beim Erwerb des Wissens und der Weisheit psielt, die spĂ€ter in die linke HirnhemisphĂ€re einkodiert werden. Neuseste wissenschaftliche Untersuchengen zeigen, das die rechte GehirnhĂ€lfte der „forschende“ Teil unseres Gehirns ist; sie ist fĂŒr Lernprozesse und neue Entdeckungen zustĂ€ndig.
Genau wie die linke GehirnhĂ€lfte profitieren auch die neuronalen Netze der rechten HemisphĂ€re von regelmĂ€Ăigem Training. Je mehr Neues Sie erlernen, umso leichter wird Ihnen deas Lernen fallen. Wenn Sie sich mit neuen, schwierigen Aufgaben beschĂ€ftigen, machen Sie sich das PhĂ€nomen der NeuroplastizitĂ€t zunutze – die FĂ€higkeit Ihres Gehirns, sich in Anpassung an seine Umgebung stĂ€ndig neu zu strukturieren und sien Leisung kontinuierlich zu verbessern.
Menschen, die offen fĂŒr Innovationen und fĂŒr alles Neue sind, können normalerweise auch gut mit Krisen umgehen, da sie selbst in der aussichtslosesten Situtaion noch eine Chance sehen.
Schlusswort
Die Zukunft gehört den Unternehmen, deren Topmanager alles tun, um ihre eigene kognitive Fitness und die ihrer Belegschaft weiterzuentwickeln. Der Firmenchef muss zum kognitiven Coach fĂŒr diejenigen werden, die mit ihrer Arbeit und ihren Entscheidungen die Strategie des Unternehmens prĂ€gen.
Quellen:
- Harvard Business manager 11/2008, S.26ff: Verbessern Sie Ihre kognitive Fitness
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