Manche Vorgesetzte ersticken jede Kreativität ihrer Mitarbeiter im Keim — andere motivieren ihre Teams zu Höchstleistungen. Testen Sie Ihre Führungsqualitäten.
Manche Vorgesetzte schaffen es, die Intelligenz und Kompetenz ihres Teams vollständig zu untergraben. Weil sie selbst immer als die Cleversten und Kompetentesten dastehen wollen, neigen solche Manager dazu, ihre Mitarbeiter zu blockieren — und ersticken damit sämtliche guten Ideen im Keim. Sicherlich finden Sie solche Leute auch in Ihrem Unternehmen. Nehmen Sie zum Beispiel die Marketingleiterin, die ihrem Team jede Woche neue Verkaufsziele und Werbekampagnen vorgibt und es auf diese Weise zwingt, ständig mit ihren Gedankengängen Schritt zu halten — statt eigene Ideen zu entwickeln und selbstständige Beiträge zu leisten. Oder den Produktentwicklungsleister, der 4000 Spitzen-Softwareingenieure in seiner Belegschaft hat, bei Konferenzen aber trotzdem immer nur auf ein paar Leute hört, weil er meint, dass die anderen „sowieso nicht drauf haben“. Solche Chefs — wir bezeichnen sie als „Verhinderer“ — unterfordern ihre Mitarbeiter und lassen deren Talent und Kreativität ungenutzt.
Am anderen Ende des Spektrum findet man Führungspersönlichkeiten, die zwar auch sehr kompetent sind, aber sich nicht mit ihrer Intelligenz brüsten, sondern lieber eine Kultur der Intelligenz in ihrem Unternehmen fördern. Unter der Ägide dieser „Multiplikatoren“ kommen die Mitarbeiter sich nicht nur viel intelligenter vor, sonder werden es mit der Zeit auch tatsächlich.
Vor ein paar Jahren führten wir eine Untersuchung durch, die uns Antworten auf folgende fragen liefern sollte: wohin besteht der Unterschied zwischen Verhinderern und Multiplikatoren, und welche Auswirkungen hat ihr Führungsstil auf ihr Unternehmen? Wir Interviewern Mitarbeiter in gehobenen Positionen aus Branchen, in denen Unternehmensintelligenz einen klaren Wettbewerbsvorteil bringen — zum Beispiel Informationstechnik, Gesundheitswesen und Biotechnologie. Diese Leute baten wir, uns zwei Vorgesetzte zu nennen, denen sie im Laufe ihrer Karriere begegnet waren: einen, der sie ihrer Meinung auch in ihren Ideen und Fähigkeiten eingeschränkt hatte, und einen Multiplikator. Anschließend analysierten wir mehr als 150 dieser Führungskräfte in über 35 Unternehmen auf 4 Kontinenten. Wir führten intensive 360-Grad-Analysen ihrer Verhaltens- und Vorgehensweisen durch.
Dabei fielen uns mehrere wichtige Unterschiede auf. Die Einstellung der Verhinderer war von statischem Elitedenken geprägt: Intelligente Mitarbeiter sind rar, und wenn ein Mitarbeiter es nicht gleich auf Anhieb kapiert, wird er es nie kapieren. Multiplikatoren denken nicht so schablonenhaft. Sie sind überzeugt davon, dass die Intelligenz eines Mitarbeiters sich ständig weiterentwickelt und dass man sie auch kultivieren kann. Für diese Führungskräfte lautet die entscheidende Frage nicht: „Ist dieser Mensch intelligent?“, sonder „In welchen Hinsicht ist dieser Mensch intelligent?“ Ein Multiplikator sieht seine Aufgabe darin, die richtigen Leute zusammenzubringen, ein Ambiente zu schaffen, in dem ihr Denken sich am besten entfalten kann — und ihnen dann freie Hand zu lassen.
Was Multiplikatoren anders machen
Unsere Analyse des Führungsstils von Multiplikatoren hat gezeigt, auf welch einmalige Weise sie die Entstehung kollektiver, viraler Intelligenz in ihren Teams fördern. Vor allem fünf Aspekte — Talentmanagement, Unternehmenskultur, strategische Planung, Entscheiden und Umsetzen — handhaben sie ganz anders als ihre weniger weitsichtigen Kollegen, die Verhinderer.
Talentmanagement
Verhinderer konzentrieren sich hauptsächlich darauf, gute Arbeitskräfte einzustellen und dann stolz zu zeigen, was für ein Spitzentalent sie da wieder an Land gezogen haben. Aber sie denken erst in zweiter Linie darüber nach, wie sie diese Talente auch nutzen und weiterentwickeln können.
Multiplikatoren dagegen stellen von vornherein klar, dass ihre Mitarbeiter sich in ihrem neuen Umfeld rasch weiterentwickeln können und sollen. Sie suchen überall nach Talenten — denn sie wissen, dass wahre Talente überall in einem Unternehmen verborgen sein können. Daher interessieren sie sich auch nicht sonderlich für Organigramme. Ihnen geht es vielmehr darum, Leute zu finden, deren Wissen ihr eigenes ergänzt — und zwar auf allen Hierarchieebenen. Sie erkennen die natürliche Begabung eines Mitarbeiters: als nicht nur das, was er besonders gut macht, sondern das, was er von Natur aus tut — oft, ohne darum gebeten worden zu sein, und manchmal sogar ohne Bezahlung. Multiplikatoren nehmen sich Zeit, die Fähigkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters genau zu analysieren und ihn dann mit Kollegen zusammenzubringen, die zu ihm passen, und ihm innerhalb des Unternehmens die optimalen Chancen zu bieten. So entsteht ein positiver Kreislauf aus Rekrutierung, Weiterentwicklung und Erfolg versprechenden Chancen.
Unternehmenskultur
Unternehmen und andere moderne Organisationen sind wahre Brutstätten für tyrannisches Management. Organigramme und Titel lenken die Macht in Richtung Spitze; und den Mitarbeitern der unteren Ebenen hält man allenfalls ein paar Incentives vor die Nase, die sie dazu motivieren, den Mund zu halten und zu funktionieren. So wird das Denken der Mitarbeiter geknebelt — und der Wissensfluss von den Untergebenen zu den Führungskräften ist minimal. In einer solchen Kultur können Verhinderer zu Tyrannen werden, die ihre Machtposition aus der Angst der Mitarbeiter herleiten. Wenn solche Chefs ihre Leute bitten, kreative und unkonventionell zu denken (oder das schlicht und einfach von ihnen verlangen), erreichen sie damit nur selten ihr Ziel. Denn je unsicherer die Mitglieder eines Teams sich fühlen, umso weniger risikofreudig sind sie in ihrem Denken.
Mulitplikatoren versuchen diesen Effekt entgegenzuwirken, indem sie ihren Mitarbeitern ausdrücklich erlauben, in ihrem Denken, Reden und Handeln ihren gesunden Menschenverstand zu gebrauchen. Sie schaffen ein intensives Arbeitsklima, das dem Team Spitzenleistung abverlangt, sind aber auch tolerant gegenüber Fehlern und wissen, wie wichtig „Learning by doing“ ist. So erzeugen sie eine Atmospähre, in der die geistigen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter wachsen und gedeien.
Strategie Planung
Die besten Ideen werden aus der Notwendigkeit und aus Veränderungen geboren. Eine neue Technologie kommt auf den Markt, oder ein Mitbewerber führt ein neues Geschäftsmodell ein, und schon ändern sich die Geschicke eines Unternehmens oder gar einer ganzen Branche. Multiplikatoren wissen das. Wenn es darum geht, die Richtung für ihr Unternehmen festzulegen, drängen sie ihre Mitarbeiter dazu, über ihren bisherigen Wissenshorizont hinauszudenken. Verhinderer dagegen wissen alles besser: Sie halten es für ihre Aufgabe, immer die besten Ideen zu haben. Bei ihren geschäftlichen Initiativen geht es oft eher darum, was der Chef weiß, als darum, was die Mitarbeiter lernen könnten. Und die Mitglieder seines Teams verschwenden eine Menge Zeit und geistige Energie bei dem Versuch herauszufinden, was ihr Vorgesetzter denkt und wie sie darauf reagieren sollen.
Multiplikatoren dagegen stellen schwierige Fragen, die eine gewisse natürlich Spannung schaffen und die Mitarbeiter motivieren, nach Antworten zu suchen. Mit jedem kleinen Etappensieg wächst ihr Selbstvertrauen, und scheinbar unüberwindliche Probleme kommen ihnen plötzlich gar nicht mehr so groß vor. Hindernisse werden zu spannenden Rätseln, die das Team gern lösen möchte.
Entscheiden
Wichtige unternehmerische Entscheidungen müssen diskutiert werden. Problematisch wird das aber, wenn die Diskussion erst einsetzt, nachdem vollendete Tatsachen geschaffen wurden — wenn verwirrte und ratlose Teams in den Korridoren und Großraumbüros zu tuscheln anfangen und versuchen, Entscheidungen zu verstehen, die für sie völlig willkürlich und unerwartet kamen. Verhinderer erzeugen diese unproduktive Dynamik, weil sie dazu neigen, Entscheidungen allein zu treffen oder sich dabei nur von einem kleinen Kreis engster Vertrauter beraten zu lassen. Dann sind die Mitarbeiter nur verwirrt, statt sich überzeugt und motiviert an die Umsetzung der Entscheidungen zu machen. Muliplikatoren dagegen führen mit ihren Mitarbeitern detaillierte, offene und ehrliche Diskussionen über anstehende Fragen. Und sie geben ihren Leuten auch eine Chance, ihre Meinung zu sagen und Alternativen zu erwägen. Dadurch vertieft sich das Verständnis des Teams für das vorliegende Problem, und die Wahrscheinlichkeit wächst, dass es hinterher auch bereit sein wird, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.
Umsetzen
Wenn ein Team mit einem Projekt oder Prozess zu kämpfen hat — vor allem, wenn dabei eine Menge auf dem Spiel steht –, fällt es intelligenten Managern oft schwer, sich herauszuhalten. Schließlich kennen sie die Lösung; sie könnten den Bericht besser und wahrscheinlich auch schneller fertigstellen. Aber was für eine Botschaft würden sie ihren Mitarbeitern damit vermitteln?
Für einen Verhinderer hängt vieles davon ab, immer der Held zu sein; schließlich hält er sich für den intelligentesten Mitarbeiter des Unternehmens. Multiplikatoren dagegen betrachten sich als Lehrer und Mentoren. Sie befähigen ihre Mitarbeiter dazu, selbstständig zu agieren, indem sie sie für Resultate verantwortlich machen und für Erfolge belohnen. Solche Manager legen großen Wert auf Selbstständigkeit: Wenn sie einmal eine Aufgabe oder Entscheidung an einen Mitarbeiter delegiert haben, nehmen sie sich nicht wieder zurück.
So werden Sie ein Multiplikator
Wie kann eine Führungskraft zum Multiplikator werden, wenn sie nicht schon von Natur aus einer ist? Manche werden es im Lauf der Zeit mit wachsender Reife und Erfahrung von selbst.
Spielen Sie Ihre Trümpfe sparsam aus — Legen Sie nicht alle Ihre Ideen und Vorschläge auf den Tisch. Verabreichen Sie den Mitarbeitern Ihre Gedanken in kleinen, aber intensiven Dosen. Indem Sie sich mit Ihren Kommentaren zurückhalten, geben Sie anderen Leuten mehr Spielraum für eigene Beiträge; außerdem werden Ihre Worte dann umso größeres Gewicht haben. Sie können es auch so machen wie ein Topmanager bei einer wichtigen Strategiesitzung. Er nahm fünf Pokerchips zu der Besprechung mit; jeder entsprach einer bestimmten Sprechzeit (in Sekunden). Mithilfe dieser Chips plante er seine Kommentare sehr sorgfältig und mit fast chirurgischer Präzision.
Stellen Sie Fragen — Machen Sie sich keine Sorgen: Sie müssen nicht alle Lösungen wissen. Nutzen Sie Ihre geschäftliches Know-how lieber, um klug zu fragen und die Mitglieder Ihres Teams zu inspirieren, inne zuhalten, nachzudenken und die Sache anschließend noch einmal zu überdenken. Um diesen intensiven Denkprozess in Gang zu setzen, können Sie ein Gespräch oder eine Konferenz führen, in der Sie ausschließlich Fragen stellen. Sie können mit einer offenen Frage beginnen, um die Diskussion anzuregen, und dann weitere, zielgerichtetere Fragen stellen, um die Probleme zu klären und viel versprechende Lösungsvorschläge genauer zu beleuchten. Am Ende motivieren Sie Ihre Mitarbeiter — ebenfalls durch Fragen — dazu, die nächsten Schritte festzulegen.
Um es ganz einfach auszudrücken: Wenn Sie Ihre Mitarbeiter zu möglichst kreativen Denkprozessen anregen und sie wie ein Multiplikator führen, werden Sie von Ihrem Team viel zurückbekommen — Ihre Leute werden selbstständiger entscheiden, mehr geistige und körperliche Energie in ihre Arbeit stecken und Ihnen auch mehr innovative Ideen liefern, die für einen langfristigen Unternehmenserfolg wichtig sind.
Achten Sie auf drei Warnsignale
Ist es Ihnen trotz bester Absichten schon einmal passiert, dass Sie Ihren Team Steine in den Weg gelegt haben? Vielen Chefs ist gar nicht bewusst, wie restriktiv sie auf ihre Mitmenschen manchmal wirken. Einige dieser Vorgesetzten wurden in ihrer bisherigen Laufbahn ständig für ihre herausragenden intellektuellen Fähigkeiten gelobt — und glauben deshalb, sie müssten alle Probleme lösen können. Andere haben so lange für Verhinderer gearbeitet, dass sie deren Denk- und Verhaltensweisen unwillkürlich übernommen haben.
Ob Sie nun ein bewusster oder unbewusster Verhinderer sind — die Auswirkungen auf Ihr Team sind dieselben: Sie können niemals die volle Leistung Ihrer Mitarbeiter nutzen. Hier drei Warnsignale, an denen Sie erkennen können, ob Sie ein Verhinderer wider Willen sind:
Sie sind ein Visionär — Sie entwickeln eine überzeugende Zukunftsvision und versuchen, Ihr Team dazu zu bekehren. Sie halten sich zwar für eine gute Führungskraft; aber Sie lassen Ihren Mitarbeitern nicht genügend Freiraum, um schwierige Aufgaben und Situationen selbst zu durchdenken.
Sie sind redegewandt — Sie können sich gut ausdrücken und Ihre Zuhörer mit Ihrer Leidenschaft anstecken; und Sie neigen dazu, in Besprechungen das Geschehen an sich zu reißen. Sie halten Ihren Enthusiasmus für motivierend; doch auf die anderen wirkt er erdrückend.
Sie sind kreativ — Sie sprudeln vor Ideen und glauben, damit einen kreativen Prozess in Gang zu setzen; doch in Wirklichkeit erzeugen Sie auf diese Weise nur unnötige Hektik in Ihrem Unternehmen, da die Leute sich ständig bemühen müssen, mit Ihren neuen Ideen Schritt zu halten.
Testen Sie Ihren Führungsstil
Es gibt viele Wege, die Kreativität und Intelligenz Ihres Teams im Keim zu ersticken. Ebenso viele Möglichkeiten gibt es aber auch, das Beste aus Ihren Mitarbeitern herauszuholen. Der Test unter www.mulipliersbook.com hilft Ihnen, Ihren Führungsstil besser einzuschätzen. Es gibt bei den Verhinderern und Multiplikatoren jeweils fünf verschiedene Typen von Führungskräften:
Verhinderer
Der Imperator — Hortet Ressourcen und unterfordert seine Talente.
Der Tyrann — Schafft eine angespannte Arbeitsatmosphäre, die das Denken und die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter beeinträchtigt.
Der Besserwisser — Will mit seinen Anweisungen stets demonstrieren, wie viel er weiß.
Der Entscheider — Trifft eigenmächtige, plötzliche Entscheidungen, die die Mitarbeiter verwirren.
Der Mikromanager — Erzwingt Resultate, indem er sich in alles einmischt.
Multiplikatoren
Der Talentmagnet — Zieht begabte Mitarbeiter an und fördert das größte Potenzial in ihnen zutage.
Der Befreier — Schafft eine intensive Arbeitsatmosphäre, die die Mitarbeiter zu ihren besten Ideen und zu Höchstleistungen anspornt.
Der Herausforderer — Schafft Situationen, die die Mitarbeiter dazu motivierten, in ihrem Denken und Verhalten über sich selbst hinaus zuwachsen.
Der Debattierer — Bewirkt gute Entscheidungen durch ausführliche Diskussionen zwischen den Teammitgliedern.
Der Investor — Macht die Mitarbeiter für die Ergebnisse ihrer Arbeit verantwortlich und investiert in ihre Erfolge.
Quellen:
- Harvard Business manager Juli 2010, S.44ff
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