Die Studie — Oded Shenkar bewertete Forschungen über bedeutende Innovationen und Durchbrüche in acht wissenschaftlichen Disziplinen. Er identifizierte Imitationen generell als erste Quelle des Fortschritts — eine Erkenntnis, die für viele Manager und Wissenschaftler neu ist. Shenkar stellte zudem fest, dass gute Imitationen schwierig sind und Intelligenz und Vorstellungsvermögen erfordern.

Die These — Imitationen werden zu gering geschätzt, behauptet Professor Shenkar. Gute Kopien können mehr Einfluss auf das Wachstum haben als Innovationen. Sie sind keine gedankenlosen Wiederholungen, sondern intelligente Anpassungen guter Ideen an den Markt.

Verteidigen Sie Ihre Forschung, Proffesor Shenkar.

SHENKAR_Das Kopieren von Ideen ist ein gutes Geschäft. Manchmal ist es sogar ein sehr gutes Geschäft. Und es passiert häufiger, als manche denken. In einer von mir bewerteten Studie haben Forscher 48 Innovationen untersucht, von denen sich 34 als Kopien herausstellten. Die Forschungsergebnisse zeigen auch, dass die Geschwindigkeit von imitationen zunimmt. Chrysler hat beispielsweise 1984 den Minivan erfunden, mit Vorderradantrieb und einem modernen geräumigen Design. Es dauerte fast zehn Jahre, bis ein anderer Autobauer den Minivan kopierte. Nachdem GM sein Spark Minicar eingeführt hatte, kam eine chinesische Imitation namens QQ innerhalb eines Jahre auf den Markt und verkaufte sich in China sechsmal besser als das Orginal. Tatsächlich gingen fast 98 Prozent der mit Innoationen erzielten Wertschöpfung nicht etwa an Innovatoren, sondern an die oft übersehenden Nachahmer.

Liegt der Schlüssel demnach darin, abzuwarten, bis etwas erfolgreich ist, und dann die Idee zu klauen?

SHENKAR_Gute Imitatoren warten nicht; sie suchen aktiv nach Ideen, die es wert sind, kopiert zu werden. Und sie schauen auch abseits ihrer Branche und ihres Landes. Sie kopieren nicht einfach eine Idee, sie lassen sich etwas Billigeres oder Besseres einfallen — zunehmend beides zusammen. Sie stören den Innovator, dessen Kosten im Schnitt ein Drittel höher sind und der weiter Geld in seine Innovation steckt. Die Imitatoren entwickeln derweil ein Angebot, das auf die Reaktionen des Marktes eingeht.

Wie kann ein Unternehmen erfolgreich kopieren, ohne Patente zu verletzen oder Gerichtsverfahren zu riskieren?

SHENKAR_Zunächst leisten Patente nur einen begrenzten Schutz, weil sie teuer sind und in vielen Fällen auch noch unmöglich durchzusetzen. manche Patente können mithilfe technischer Alternative umgangen werden. Andere müssen veröffentlicht werden und erleichtern so das Kopieren. In Wahrheit sind die meistern Produkte, Prozesse, Techniken und Ideen nicht durch Patenten geschützt.

Können Sie uns Beispiele aus dem Wirtschaftsleben nennen, die wir als brillante Innovatoren feiern, die aber doch nur gute Nachahmer sind?

SHENKAR_Wenn Sie die führenden Unternehmen in vielen Branchen nehmen, werden Sie überrascht sein, dass es keine Pioniere sind, sondern fähige und kreative Imitatoren. Denken Sie an McDonald’s, die ein System kopierten, das ursprünglich von White Castle erfunden wurde. nehmen Sie Visa, MasterCard und American Express, die alle vom Versuch von Diners Club profitierten, Plastikkarten an ein zunächst skeptisches Publikum zu verteilen. Denken Sie an Wal-Mart. Der Gründer gestand, dass er die meisten Geschäftspraktiken von den Vorläufern übernommen hatte, sie aber verbesserte, kombinierte und so eine Erfolgsformel schuf. Die Großen von heute sind Abkömmlinge der Nachahmer.

Wenn Kopieren so effektiv ist, warum wird es nicht mehr angenommen?

SHENKAR_Wir sind seit früher Jugend so sozialisiert, dass wir Imitationen als unwürdig und verwerflich ansehen. Selbst in Unternehmen, die Imitationen grundsätzlich begrüßen, zögern viele Führungskräfte, das „I“-Wort zu benutzten, weil ihm ein Stigma anhaftet. Und so spielt sich das Kopieren im Verborgenen ab, ohne die strategische und operative Aufmerksamkeit, die dieses Projekt verdient.

Würden Unternehmen, die für Imitationen dieselbe Disziplin aufbringen wir für Innovationen, mehr leisten?

SHENKAR_Das ist genau der Punkt. Aber es ist nicht so einfach. Viele Imitatoren sehen nur das Äußerste einer Innovation, scheitern aber beim Kopieren der „tragenden Balken“, die sie erst erfolgreich machen. Manchmal nehmen sie an, was in Peoria funktionierte, wird auch in New York funktionieren. Andere wiederum sind so gebannt vom Original, dass sie an Verbesserungen scheitern. Um ihre Chancen zu erhöhen, sollten Kopisten verstehen, was eine „richtige“ Imitation ist. Sie sollten die Fertigkeiten entwickeln, die es ihnen ermöglichen,Imitation erfolgreich zu nutzen, und sie sollten lernen, Imitationsstrategien aufzustellen.

Was verraten uns Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft über Imitationen?

SHENKAR_Wissenschaftler stuften Imitation früher als Aktivität auf einem niedrigen Level ein. Einige beschreiben sie als charakteristisch für Tiere, Kinder und geistig Behinderte. Nach Experimenten mit Tieren und Menschen sehen Wissenschaftler Imitation heute als komplexen und anspruchsvollen Prozess an, der hohe Intelligenz und fortgeschrittene kognitive Fähigkeiten verlangt. Den Tierforschern zufolge hat die Fähigkeit, zu imitieren, es den Menschenaffen ermöglicht, in einer feindlichen Umgebung zu überleben — trotz signifikanter physischer Schwächen. Ich würde sagen, das Gleiche gilt im Business-Dschungel.

Wenn Affen den Wert von Imitationen schätzen lernen, können das auch Führungskräfte?

SHENKAR_Sie müssen nur ihr Denken ändern. So wie sie es während der Qualitätsrevolution in den 80er Jahren taten. Damals setzte sich in US-Unternehmen eine neue Auffassung von Qualitätskontrolle durch. Sie galt nicht mehr als spezialisierte Funktion, die nur am Ende des Produktionsprozesses auftrat. Stattdessen sollte jeder in der Organisation dauernd dafür verantwortlich sein. Ein Wandel der Einstellung ist jedoch nie leicht. Vor 50 Jahren beobachtete Theodore Levitt, dass die gleichen Unternehmen, denen es um Innovationen ging, beiläufig und unprofessionell mit dem Imitieren anfingen. Das ist im Großen und Ganzen immer noch der Fall.

Quellen:

  • Harvard Business manager Juli 2010, S.22f
  • ODED SHENKAR — Er ist Professor am Fisher College of Business der Ohio State University und Autor des Buches „How Smart Companies Use Imitation to Gain a Strategic Edge“, harvard Business Press 2010.
  • Copycats — Gut kopiert ist besser als teuer erfunden, Oded Shenkar, Redline, 2011, URL: http://www.getabstract.com/zusammenfassung/15256/copycats.html