Über die Bedeutung von Vertrauen und Transparenz in Unternehmen.

„Reisende soll man nicht aufhalten“ grummelt der Chef, als er schon wieder die Kündigung eines wichtigen Mitarbeiters auf den Tisch bekommt. Und er klingt irgendwie gekränkt dabei. In den letzten 10, 12 Jahren hatten wir Gelegenheit, uns mit Tausenden von Mitarbeitern und Hunderten von Führungskräften intensiv zu unterhalten. In diesen Gesprächen haben wir gelernt, dass es die GUTEN Mitarbeiter sind, die ihr Unternehmen verlassen. Sie tun das eher als die durchschnittlichen oder die leistungsschwachen, und wir haben gelernt, dass es dafür ein spezifisches Ursachen-Sammelsurium gibt.

Woraus besteht das?

Es lässt sich am besten als Knacks beschreiben. Der Knacks, unsichtbar, unter der Oberfläche, der irgendwann zum Bruch wird.

Er besteht meistens aus mehreren Rissen, tief in der Struktur, kaum wahrnehmbar. Jeder einzelne vielleicht irgendwie hinnehmbar. Wenn wir sie genauer anschauen, sehen wir Mangel. In den vielen Gesprächen, die wir geführt haben, wurden sechs typische Mängel immer wieder genannt.

Mangel an Wertschätzung, da fehlt das „Bitte“ und das „Danke“ und das „Gut gemacht“ erst recht.  Es wird verfahren nach dem Leitsatz „nicht geschimpft ist schon gelobt“.

Mangel an Selbstwirksamkeit, das meint das Gefühl, etwas ausrichten, bewegen zu können. Etwas entscheiden zu dürfen.

Mangel an Transparenz: Managemententscheidungen werden als Zickzackkurs erlebt, man weiß nicht, wie sie zustande gekommen sind. Gerüchte sind die erste Informationsquelle.

Mangel an Integrität: Die Erfolge gehören meistens dem Chef, die Fehler meistens uns.

Mangel an Perspektive: Oft hat die Führung Krabbenkörbe aufgestellt, wie Kollege Kruse es nennt. Krabbenkörbe brauchen keine Deckel, denn sobald eine Krabbe versucht, an der Innenwand hoch- um raus zu klettern, hängen sich andere Krabben an sie dran und ziehen sie wieder runter.

Und der schlimmste Riss: Mangel an Vertrauen. Das beschreibt schon den Knacks selbst. Da muss für alles eine Unterschrift eingeholt werden, Erlaubnisse werden einzelfallmäßig
erteilt, da wird kontrolliert, unterstellt, auch getrickst, da wird Zusammenarbeit erschwert.

Wann wird nun der Knacks zum Bruch?

Auf einmal ist er da, der Bruch, ist sie da, die Kündigung. Was bisher gefehlt hatte, war die Gelegenheit. Jetzt ist sie da in Gestalt des Headhunters, der abwirbt für ein Unternehmen, im dem alles besser sein soll.

In Gestalt des günstigen Zinses, der das Sich-Selbstständig-Machen möglich scheinen lässt. In Gestalt des Arbeitsmarktes, der händeringend gute Leute sucht und immer schwerer findet

Danach gehört der oben beschriebene Chef auch zu den händeringend Suchenden. Oder seine Personalabteilung. Wenn dann die Stelle neu besetzt wurde, geht das Spiel von vorne los: Haarrisse, Knacks, Bruch. Und wieder…

Jetzt sagt mancher: Das betrifft uns nicht, uns sind gute Leute abhanden gekommen, die besten aber sind geblieben.

Ja, das kann sein und ist kein Widerspruch, denn die Besten hatten vielleicht nicht die oben beschriebenen Mängel zu erdulden, vielleicht waren sie dem Krabbenkorb doch entkommen,
vielleicht hatten sie Bevollmächtigung. Oder das Produkt /die Dienstleistung ist so faszinierend, die Identifikation damit so hoch, dass die Mängel in Kauf genommen werden. Das Problem bleibt, die Guten gehen, auch wenn die Besten (noch) bleiben.

Wie kann es besser gehen?

Wir sind der Überzeugung, dass eine (Rück-) Besinnung auf eine Führungs-Ethik den entscheidenden Schlüssel darstellt. Dass man das Augenmerk auf eine vernünftige Unternehmenskultur zu richten hat. Wir treten für Erfolg durch menschliche Unternehmensführung ein.

Und wem es nicht reicht, dass Menschen aus Prinzip auch an ihrem Arbeitsplatz zufrieden sein sollten, dem sei gesagt, dass der beginnende Fachkräftemangel ein ziemlich durchgreifendes Argument dafür darstellt, die Mitarbeiter gut zu behandeln.

Das ist nun nicht soo wahnsinnig originell, man kann es in jedem zweiten Buch über Führung nachlesen. Es ist allerdings sehr wahr und das Wahre bedeutend wichtiger als das Originelle, als die neue Theorie, das neue Verfahren mit dem kleinen Markenschutzzeichen dahinter.

Worum geht es also?

Nach unserer Erfahrung ist Vertrauen ein Schlüsselelement glückender Beziehung, das gilt im Privaten und das gilt im Unternehmen.

In landläufiger Vorstellung ist Vertrauen entweder da oder nicht da, sozusagen Schicksal. Das stimmt aber nicht, Vertrauen kann erarbeitet werden, man kann es erzeugen und pflegen.

Natürlich wiegen Einzahlungen und Abhebungen auf dem Vertrauenskonto unterschiedlich schwer, aber es kann auch wieder hergestellt werden, wenn das Konto ins Minus geraten ist.

Ich habe mit vielen Mitarbeitern gesprochen, die beklagt haben, dass ihr Chef ihnen nicht vertraut. Auf die Frage, ob sie denn ihrerseits dem Chef vertrauen, haben sie geradezu entrüstet geantwortet: „Natürlich nicht!“

Fehlendes Vertrauen ist beidseitig, Vertrauen auch. In Unternehmen ist es eine Führungsaufgabe, es zu erzeugen und zu erhalten.

Ich empfehle ihnen ein Buch von Stephen Covey (The Speed of Trust / Schnelligkeit durch Vertrauen), in dem die Bedeutung von Vertrauen ziemlich gut aufgedröselt wird.

Bausteine von Vertrauen

Wertschätzung: Wertschätzender Umgang ist die Basis. Er zeigt, dass man sich gegenseitig ernst nimmt.

Integrität: Sagen, was man tun wird. Und tun, was man gesagt hat. Verlässlichkeit und Verantwortung zeigen und einfordern.

Absicht: Sagen, warum man etwas tun wird. Keine geheime Agenda verfolgen.

Fähigkeiten und Ergebnisse: Vertrauen ist eine vorweggenommene Erfahrung, auf die Zukunft gerichtet. Diese Erfahrung muss bestätigt werden durch das Zeigen von Kompetenz und das Erreichen von Ergebnissen.

Diese Dinge gelten für alle, für Führungskräfte und für Mitarbeiter.

Vertrauen kann mehr als Mitarbeiter binden. Vertrauen macht ein Unternehmen schlank und schnell. Vertrauen lässt Entscheidungsräume zu, es beseitigt den beschriebenen Mangel an Selbstwirksamkeit. Es lässt Menschen und Organisationen wachsen. Die Freude nimmt zu und das Engagement auch.

So, das klingt prima, da will man gerne hin, aber wie anfangen?

Die Antwort ist erstmal: So weit oben wie möglich.

Natürlich schafft ein Teamtraining, vielleicht im Hochseilgarten, Teamgeist und Teamvertrauen. Natürlich befördert eine Motivationsveranstaltung das Sich-Verantwortlich Fühlen von Mitarbeitern. Vertrauen in die Führungskräfte, in das Management wird dadurch nicht geschaffen. Das ist eine Bewegung, die im Idealfall von oben nach unten durch das Unternehmen sickert.

Indem das Top-Management sich zum Vertrauen mit seinen Elementen und Folgen bekennt, es fördert und fordert.

In einem großen Konzern reichen Sie als Personalentwickler da vielleicht nicht hin, da muss es manchmal ausreichen, dass so viele Führungskräfte wie möglich sich das Thema Vertrauen auf den Zettel nehmen. Die sollten den Mut haben, sich mit ihrem Team zusammen zu setzen und offen zu besprechen, wie es um das Vertrauen bestellt ist und was verbessert werden kann.

In Mittelständischen Unternehmen geht es nur von ganz oben. Und oft geht es auch nur mit Begleitung von außen. Denn wenn die Vertrauenskultur im Mittelstand nicht von oben kommt, sondern quasi inselmäßig nur in einzelnen Abteilungen und Teams existiert, ist das zwar schön für die Beteiligten, es führt aber leicht zu einer Haltung „Wir gegen die da oben“, zu einer einseitigen Loyalität der Führungskräfte zu den Mitarbeitern und somit wieder zu einem Riss, zu dem Riss zwischen den Führungsetagen.

Wenn wir ein Unternehmen in dem Prozess des Kulturwandels begleiten, beginnen wir die Arbeit mit der Geschäftsleitungs-Runde.

In dem ganzen Veränderungs-Prozeß fungiert die GL als Steuerungsgruppe, die durch die Beschäftigung mit den einzelnen Schritten des Programms ein intensives Gefühl für den Zustand der Unternehmenskultur und für die notwendigen Schritte entwickelt.

Das Unternehmen sollte eine Mitarbeiterumfrage durchführen, um die angestrebten Veränderungen einigermaßen messbar zu machen. Dazu eignen sich hervorragend die 12 Fragen des Gallup-Instituts. Interessierten empfehlen wir die Lektüre des Buches „Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln“.

Wenn die GL-Runde Einigkeit erreicht hat, wie der Weg aussehen soll, kann ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm beginnen.

Dabei ist eine Verzahnung der Ebenen wichtig. Was bedeutet, dass die Erwartungen der GL in die Trainings einfließen und die Bedürfnisse der nachfolgenden Ebenen in die Workshops der übergeordneten. So wird an der typischen Kluft zwischen den Ebenen gearbeitet  und Kommunikation systematisch hergestellt, wo sie vorher oft fehlte.

Nach dem verschachtelten Trainingsteil des Programms sollten die einzelnen Teams begleitet werden in den Fällen, in denen sich Gesprächsbedarf zwischen Team und Führungskraft gezeigt hat – z.B. durch die Mitarbeiterumfrage.

Das klingt umfangreich und es klingt teuer. Es ist tatsächlich nicht mal so eben getan. Die einzelnen Schritte erstrecken sich allerdings über einige Zeit und so verteilen sich auch die Kosten über die Zeit. Und manchmal geschehen Wunder und die Kulturveränderung wird zum Selbstläufer. Dann ist unsere Arbeit getan und wir gehen.

8 Regeln für den totalen Stillstand in Unternehmen

Und hier noch mal zum Mitlesen:

  1. Führungskräfte sollen sich ganz raus-halten oder versuchen alles im Griff zu haben
  2. Diskussion über Ziele und Inhalte von Änderungen sollten konsequent auf der informellen Ebene geführt werden.
  3. Möglichst viele Aktivitäten sollen gleichzeitig angezettelt werden.
  4. Nur der Einsatzbereiteste überlebt
  5. Es sollte steht’s, ausdauernd und unnachgiebig nach den zentralen Verursachern von Problemen gesucht werden
  6. Es sollte auf keinen Fall öffentlich über den Sinn und Unsinn von bestehenden Regeln diskutiert werden
  7. Beschlüsse sollten auf der formellen  Ebene möglichst schnell konsensfähig sein, um dann informell in Frage gestellt zu werden.
  8. Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte immer höher sein, als auf der Umsetzungsebene.

Quellen