Viele Unternehmen setzen in der Forschung und Entwicklung ineffiziente Anreizsystem ein. Sie provozieren Verteilungskämpfe, wo Kooperation nötig wäre, und demotivieren, wo sie individuelle Leistung belohnen sollten. Zwei einfache Formeln können Abhilfe schaffen.

Ein großes Problem vieler for­schungsintensiver Unternehmen besteht darin, ihre Mittel effizient auf verschiedene Entwicklungsprojek­te aufzuteilen. Auf den ersten Blick scheint es eine simple Lösung zu geben: in wertsteigernde Projekte investieren und verlustträchtige Investitionen ver­meiden. Doch das lässt sich nicht so einfach umsetzen. Dafür sind zwei Faktoren ausschlaggebend, die bei fast al­len Vorhaben in der Forschung und Entwicklung (F&E) eine Rolle spielen. Zum einen ist es so gut wie unmöglich, die besten Projekte vorab zu identifi­zieren, da fast jedes mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Zum anderen kommt es immer wieder zu erbitterten Kämpfen um Ressourcen zwischen den Managern der einzelnen Vorhaben. Die Informationen, die sie dem Topmanagement zur Verfügung stellen, sind meist geschönt, weil sie angesichts der harten Konkurrenz um ihre Budgets fürchten müssen.

Wenn Unternehmen ihre F&E-Gelder effizient verteilen wollen, müssen sie beide Faktoren berücksichtigen. Formale Kontrollmechanismen haben sich als wenig hilfreich erwiesen nicht
nur wegen des hohen Aufwands, sondern auch weil es unmöglich ist, die Erfolgsaussichten von Innovationspro­jekten objektiv zu bewerten. Unterneh­men sollten lieber auf ein effizientes
Anreizsystem setzen.

Dieses muss folgende Anforderun­gen erfüllen: Es muss sicherstellen, dass die Projektmanager erstens die Er­folgschancen ihrer Vorhaben gründlich untersuchen und zweitens das Topma­nagement wahrheitsgemäß über ihre Erkenntnisse informieren. Für den ers­ten Aspekt muss das System die indi­viduelle Leistung belohnen; für den zweiten Aspekt ist es notwendig, die Belohnung am gemeinschaftlichen, unternehmensweiten Ziel auszurich­ten. Außerdem müssen die Anreize ver­ständlich und transparent sein, damit sich die Projektleiter auch wie ge­wünscht verhalten.

In unseren Untersuchungen, die wir in der Pharmabranche durchführten, fanden sich viele unterschiedliche An­reizsysteme, von denen keines allen Anforderungen genügte. Betrachten wir zum Beispiel GlaxoSmithKline (GSK). Das britische Unternehmen entstand Anfang der 2000er Jahre aus der Fusion von Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham. Nach dem Zusammenschluss restrukturierte GSK die gesamte F&E-Sparte, indem es sechs unabhängige
„Center of Excellence for Drug Disco­very“ einrichtete. Das dazugehörige An­reizsystem versprach Projektmanagern und ihren Einheiten hohe Boni, wenn eines ihrer Vorhaben die Marktreife er­langen sollte. Weil es jedoch Synergien zwischen den einzelnen Zentren nicht
belohnte, kam es zu heftigen Vertei­lungskämpfen – die Manager überbo­ten sich gegenseitig, wenn sie die Er­folgsaussichten und Marktwerte ihrer Projekte beziffern sollten. Die Folge:
Viele Vorhaben, die als sichere Wette galten, endeten als Fehlschläge.

Einen gegensätzlichen Ansatz ver­folgte das heute zum US-Konzern Pfi­zer gehörende Unternehmen Wyeth Pharmaceuticals. Um die Zusammen­arbeit zwischen den F&E-Projektleitern zu fördern und den Informations­austausch voranzutreiben, zahlte der
Pharmahersteller nur Boni, die sich am Erfolg des gesamten Unternehmens orientierten. Herausragende individu­elle Leistungen blieben unberücksich­tigt. Dadurch sanken jedoch Motiva­tion und Produktivität der einzelnen Manager. Das Scheitern beider Systeme haben Robert S. Huckman und Eli Strick in einer Fallstudie der Harvard Business School gründlich untersucht.

UNGEFILTERTE INFORMATIONEN

Wir haben ein einfaches Anreizsystem entwickelt, das sowohl eine hohe Moti­vation der Projektmanager als auch einen wahrheitsgemäßen Informati­onsaustausch dauerhaft sicherstellen kann. Dabei haben wir auf Basis von spieltheoretischen Überlegungen eine
Formel entwickelt, die beide Elemente berücksichtigt. Der Ansatz ist vor allem deshalb überlegen, weil es dabei keinen Anreiz mehr gibt, der Unternehmensführung Informationen vorzuenthal­ten. Diese kann so bessere Entschei­dungen über die Verteilung der F&E-Gelder
treffen.

Grundsätzlich sollte die variable Ver­gütung eines Projektmanagers aus zwei Komponenten bestehen: einerseits aus einem individuellen Bonus, dessen Höhe vom finanziellen Gewinn seines Projekts abhängt, und andererseits aus einem Bonus, der sich am übergreifen­den Gewinn der gesamten F&E-Abteilung orientiert. Die Höhe sowie das Verhältnis der beiden Boni zueinander hängen von drei Faktoren ab: dem er­warteten Marktwert des Projekts, den
Aufwandskosten des Projektmanagers und der Qualität der Informationen, die ihm zur Verfügung stehen.

In der Praxis lassen sich diesen Para­metern wie folgt Werte zuordnen:

  • Für den Marktwert (in der Formel, die Sie oben rechts sehen, als M be­zeichnet) eignet sich der Kapitalwert des Projekts (auf Englisch Net Present Value, NPV). Dieser lässt sich mithilfe von Marktanalysen oder über den Ver­gleich mit ähnlichen Projekten schätzen.
  • Die Aufwandskosten (A) umfassen im Wesentlichen den zeitlichen Auf­wand, den der Manager in das Projekt investieren muss, etwa um Mitarbeiter anzuleiten oder Testergebnisse auszu­werten. Eine gute Schätzung liefert das Produkt aus der aufgewandten Zeit und dem Stundenlohn des Managers basie­rend auf seinen fixen Bezügen.
  • Die Qualität der Informationen (Q) hängt von der Neuheit des Projekts ab. Für sehr innovative Vorhaben mit un­gewissem Ausgang können Sie hier Werte zwischen 0,5 und 0,6 angeben. Für Projekte, bei denen es nur darum geht, eine bekannte Technik ein wenig zu verbessern und bei denen die tech­nischen Unsicherheiten wesentlich ge­ringer sind, liegen die Werte zwischen 0,8 und 0,9. In der Pharmaindustrie befindet sich der Wert für die Informationsqualität typischerweise zwischen 0,5 und 0,7, im Maschinenbau eher zwischen 0,6 und 0,9.

Wenn Sie die drei Parameter be­stimmt haben, können Sie diese in fol­gende Formeln einsetzen:

  • Individueller Bonus
    individueller Bonus
  • Unternehmensweiter Bonus
    unternehmensweiter Bonus

Der Gesamtbonus des Managers er­rechnet sich, indem Sie B1, mit dem fi­nanziellen Gewinn des Projekts und B2 mit dem Gewinn der gesamten Abtei­lung für Forschung und Entwicklung
multiplizieren.

Die Informationsqualität bestimmt über die Verteilung der beiden Boni. Bei technisch hochkomplexen Projekten, deren Erfolgsaussichten auch durch eine intensive Evaluation nur schwer einzuschätzen sind (Q = 0,5), sollten Unternehmen gänzlich auf individuelle Boni verzichten. Hier empfiehlt es sich, den Erfolg der gesamten Abtei­lung in den Vordergrund zu stellen, damit die Manager Informationen ver­lässlich weiterleiten. Der Bonus für Vorhaben mit geringeren technischen Unsicherheiten (Q > 0,5) sollte auch die individuelle Leistung eines Mana­gers berücksichtigen. Bei quasi nicht vorhandener Unsicherheit (Q = 1) soll­te der unternehmensweite Bonus gar keine Rolle mehr spielen.

FAZIT

Wer die Formel anwendet, kann nicht nur seine Mittel effizienter verteilen. Es ergeben sich auch andere F&rE-Portfolios und F&E-Strategien. Unterneh­men, deren Innovationsvorhaben mit großen Unsicherheiten behaftet sind, tendieren dazu, ihre Ressourcen breit zu streuen. Dadurch versickert viel Geld in unrentablen Projekten. Wenn die Informationen über die Erfolgsaus­sichten jedoch ungefiltert an die Unter­nehmensspitze gelangen, dann lassen sich Vorhaben weitaus gezielter auswählen. Meist ist es sinnvoll, weniger Projekte auszuwählen, die aber höhere Erfolgsaussichten haben und weniger Mittel verschwenden. Dadurch sinkt
die Neigung von Unternehmen, F&E-Prozesse nach außen zu verlagern. Die höhere Ressourceneffizienz erlaubt es somit, intern Projekte günstiger durch­zuführen und technisches Wissen in der Organisation zu halten.

Viele Unternehmen haben die Bedeu­tung von effizienten Anreizsystemen erkannt. Allerdings kämpfen die meis­ten noch mit der richtigen Balance. Jörg Reinhardt, der erwaltungsratspräsident des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, kündigte im Dezember 2013 in der Wirtschaftszeitung „Financial Times“ eine Reform des bestehenden Systems an, das die Konkurrenz der einzelnen Bereiche verringern, die Zu­sammenarbeit fördern und synergien bewirken soll. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf unternehmensweiten Anreizen. Wir berufen uns auf unsere Formel und behaupten: Ein weiser Schritt in die richtige Richtung.

Quelle:

  • Schlapp, Jochen; Oraiopoulos, Nektarios; Mak, Vincent (2015): Effizienter forschen. In: Harvard Business Manager, Nr.7, S.10–11