Von Vince Ebert, http://www.vince-ebert.de

Ich kann mir nicht helfen, aber wenn in letzter Zeit eine bedeutende Führungskraft ein Interview gibt, dann hört sich das so an, als hätte sie sich auf den Kirchentag verirrt.

Meistens geht’s nicht um so ekelige Sachen wie Shareholder-Value, Kosten­senkungen oder Expansionsstrategien, sondern um eher „weiche“ Themen à la „wir müssen in Zukunft mehr an unserer Work-Life-Balance arbeiten“ und „Nachhaltigkeit wird in unserer Firmenphilosophie ganz groß geschrie­ben“. Oder es kommt gleich der Klas­siker: „Selbstverständlich sind unsere Mitarbeiter unser höchstes Gut.“

Seit 25 Jahren wird in praktisch allen Management-Büchern gebetsmühlenartig wiederholt, wie unerlässlich Empathie, Mitgefühl oder soziale Kompeten­zen für moderne Führungskräfte sind. Mit Freundlichkeit und Verständnis soll der zeitgemäße Manager behutsam eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts im Unternehmen aufbauen.

Auffallend selten wird dagegen geschrieben, wie ungeheuer erfolg­reich Firmengründer und Topmanager agieren, die ihre Ange­stellten in Angst und Schreck­en versetzen. Ferdinand Piech oder Jack Welch waren sich stets bewusst: Nicht Geld regiert die Welt, sondern nackte Angst!
Sie bauten Weltkonzerne auf mit ei­nem autokratischen, egozentrischen und unerbittlichen Führungsstil. Vom Schraubenkönig Reinhold Würth sind legendäre Geschichten bekannt, wie er seine unterdurchschnittlichen Ver­triebsleute demütigt. Angeblich mit Negativ-Incentives. Der umsatzschwächs­te Mitarbeiter bekommt als Strafe eine Woche Aufenthalt in Hannover. Aber nur bei schlechtem Wetter. Bei gutem wird abgesagt.

Eine durchaus wirkungsvolle Me­thode, der sich schon Al Capone be­wusst war, als er sagte: „Mit einem freundlichen Wort und einem Gewehr kommt man eben wesentlich weiter als mit einem freundlichen Wort alleine.“ Insgeheim weiß es natürlich jeder von uns: Unter objektiven Gesichtspunk­ten sind viele erfolgreiche Manager oftmals gefährliche Irre. In den Füh­rungsetagen der Topkonzerne finden sich dreimal mehr Psychopathen als in der Durchschnittsbevölkerung. Richard Branson ist ein großes, pubertierendes Kind. Steve Jobs war ein cholerischer Charismatiker, der Onkologen für Idi­oten hielt und seine Krebserkrankung lieber mit esoterischer Naturheilkunde bezwingen wollte. Hinter den Erfolgsge­ schichten von großen Unternehmerper­sönlichkeiten stecken häufig psycholo­gische Krankheitsgeschichten.

Andererseits sind möglicherweise genau diese Charakterzüge auch nötig, um Veränderungen in die Wege leiten zu können, auf die alle anderen erst mal negativ reagieren. Eine narzisstische Persönlichkeit hilft, wenn man von allen Seiten wegen einer unpopulä­ren Maßnahme angefeindet wird. Ingvar Kamprad, Winston Churchill oder J.P. Morgan trafen zahllose Entscheidungen, die andere aus Furcht, Zweifel oder dem Gefühl der allgemeinen Ab­lehnung niemals getroffen hätten.

An runden Tischen können viel­leicht Friedensgespräche ausgehandelt werden, bei Unternehmerischen Ent­scheidungen führen sie dagegen oft zu feigem Durchschnitt. Der Glaube, dass
bei wichtigen Weichenstellungen je­ der im Unternehmen gefragt wer­den sollte, dass Veränderungen
am besten in der Gruppe ent­schieden werden müssen, führt nicht selten zu belanglosem Bullshit. Der Konsensglaube tötet kühne Ideen. Er ist ei­ne ängstliche, charakterlo­se Form, eine Entscheidung
herbeizuführen. Der mutlose Wunsch, niemanden zu verletzen.

Narzisstische Führungskräfte mögen ab und an Unternehmen in den Abgrund führen. Doch andererseits haben sie auch phänomenale Dinge geschafft, zu denen andere nie fähig gewesen wären.

Christoph Kolumbus war ein selbstgerechter Spinner, der auf seinen Fahrten meist keinen blassen Schim­mer hatte, was er tat. Als er am 3. August 1492 in See stach, hat er entgegen den zu Hause gebliebenen Gelehrten die Di­stanz auf dem Meer völlig unterschätzt. Aber im Gegensatz zu den Besserwis­sern auf dem Festland erinnern wir uns an ihn. Weil er nicht herumgelabert, sondern weil er etwas gemacht hat.

Quelle:

  • absatzwirtschaft 1/2015, S.82