Die Lehr-Lern-Forschung boomt. Hirnforschung, Psychologie und Pädagogik erbringen fortlaufend neue Erkenntnisse darüber, wie Lehren und Lernen funktioniert. Hier kann es freilich nicht darum gehen, diese Ergebnisse umfassend darzustellen und zu diskutieren. Vielmehr wollen wir uns darauf beschränken, einige wenige, aber für die Gestaltung und Durchführung von Lernprozessen überaus wichtige und – wie wir finden – hilfreiche Punkte zu beleuchten. Wir haben die Punkte in einer „REWÜ“ zusammengefasst (vgl. Medina 2014).

„REWÜ“ liegt als wissenschaftliche Grundlagen die Überlegungen zur Gestaltung von Lernprozessen zugrunde. Dabei dürfen die einzelnen Punkte freilich nicht isoliert verstanden werden, sondern weisen vielfältige Bezüge auf: Erkennt der Lerner etwa, dass er „endlich“ die Lösung eines seiner Probleme erlernt hat, so wird das sicherlich von positiven Emotionen begleitet werden. Dies setzt wiederum voraus, dass er die Relevanz überhaupt erkennen kann und sie nicht durch eine Unmenge an Informationen verstellt ist. Und kann er schließlich diese neueren Fähigkeiten in einer angstfreien Lernatmosphäre üben und festigen, steigt die Wahrscheinlichkeit enorm, dass sich echte Lernerfolge einstellen.

📖 d. h. (Schlüssel-)Qualifikation & Kompetenz

Schlüsselqualifikationen können nicht wie fachliche Fähigkeiten erworben bzw. erlernt, sondern nur durch die Auseinandersetzung mit konkreten Aufgabenstellungen entwickelt werden („learning by doing“). (Hintz 2018, S.15) In den 1990er Jahren wurde das Wort „Qualifikation“ zunehmend durch „Kompetenz“ ersetzt. Der Kompetenzbegriff fokussiert das Individuum, das die veränderten Lebensbedingungen zum Teil selbst mitgestalten kann, indem es sich Kompetenzen für die Gestaltbarkeit…

🧬 Agile Prinzipien 2.0

Agile wird modernisiert. Dank der Lean- und Agile-Pioniere und -Praktiker haben wir jetzt einfachere, sicherere und schnellere Wege, um großartige Ergebnisse zu erzielen. Wir nennen diese neuen Ansätze „Modern Agile“, weil sie sich weit über die frühen agilen Methoden hinaus entwickelt haben.

Relevanz

Lernen muss für den Lerner sinnvoll sein. „Das Gehirn lernt nur das, was es als bedeutsam ansieht“ (Hüther 2016, S. 134). Bedeutsam ist alles, was dem Lerner nützlich erscheint – insbesondere nützlich für die Bewältigung praktischer Aufgaben des (beruflichen) Alltags. Fehlt diese Relevanz, findet der Lerner keine Antwort auf die Frage „warum“ er etwas lernen soll, wird er eher den Lernprozess als „unsinnig“ bewerten und wahrscheinlich versuchen, ihm ganz fern zu bleiben. Denn weiß der Lerner nicht, wofür er die Inhalte gebrauchen kann, sind alle noch so aufwendig designten, multimedialen Lernangebote oder außergewöhnlichen Trainingssettings letztlich nur ein Strohfeuer. Hilfreich dagegen ist, wenn die neuen Inhalte anschlussfähig an die Vorerfahrungen des Lerners sind (vgl. Siebert 2012, S. 26 f.). Eine bedeutsame Funktion hat hier der Hippocampus, eine Struktur des limbischen Systems des Gehirns (vgl. Korte 2014, S. 112 f.). Aufgabe des Hippocampus ist es, zu entscheiden, welche Informationen vom Arbeitsgedächtnis in das Langzeitgedächtnis wandern. Man könnte den Hippocampus auch als den „Türsteher“ im Gehirn bezeichnen: „Rein kommt“, was sich als relevant darstellt, alles andere muss „draußen bleiben“. Diesen Türsteher zu überzeugen, ist eine der wichtigsten Aufgaben bei der Gestaltung und Durchführung von Lernprozessen.

Emotionen

1995 veröffentlichte der Neurowissenschaftler Antonio R. Damasio sein bahnbrechendes Buch „Descartes´ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn“. Seine Hauptthese: Fühlen und Denken hängen untrennbar zusammen. In der Folge wurde in zahlreichen Studien die überragende Bedeutung von Emotionen auch und gerade für das Lernen bestätigt. So formuliert Siebert in Bezug auf die Kompetenzentwicklung: „Kompetenzen sind nur dann nachhaltig, dauerhaft und effektiv, wenn sie emotional ‚gespurt‘ sind“ (Siebert 2012, S. 46). Erpenbeck et al. sprechen gar von einem „entscheidenden Paradigmenwechsel“ der „zu einem grundsätzlich geänderten Verständnis des menschlichen Lernens (führt)“ (Erpenbeck/Sauter 2016, S. 160 f.). Wir sind eben keine Computer, die Informationen einfach auf einer Festplatte abspeichern, sondern Lernen findet immer unter emotionaler Beteiligung statt. Die Frage ist nur, welche Emotionen beteiligt sind. Emotionen wie Angst, Scham und Misstrauen wirken sich negativ aus, dagegen beeinflussen Begeisterung, Freude, Sicherheit und Vertrauen das Lernen positiv. Das hat weitreichende Konsequenzen für die Gestaltung von Lernprozessen. Die entscheidende Frage ist hier, wie ein Rahmen gestaltet werden kann, in dem positive Emotionen eher möglich sind als negative.

Für Zusammenarbeit sorgen

Organisationen haben erkannt, dass das Freischalten von Agilität mehr als nur die Skalierung einer Vielzahl von Scrum-Teams erfordert. Die Organisationstheorie geht auf die 1940er Jahre zurück und war von der Idee geprägt, dass eine Organisation am besten verstanden werden kann, wenn man jedes ihrer Teile sorgfältig studiert – ähnlich wie eine Maschine. (Hesselberg 2019)

Agiles Manifest: Individuen und Interaktionen

Bei Individuen und Interaktionen handelt es sich um den ersten Wert, der einem beim Lesen des Agilen Manifests ins Auge springt. Von daher wird er auch vermutlich am häufigsten diskutiert und mit den unterschiedlichsten Dingen in Verbindung gebracht. Bis man bei den anderen Werten ankommt, hat mein sein Pulver ja meist schon verschossen oder ist…

Wenige Inhalte

Unsere Aufmerksamkeitsspanne und -kapazität ist weitaus geringer, als häufig bei der Vermittlung von Inhalten vorausgesetzt wird. Schon 1956 hat Miller die „magische Zahl 7“ beschrieben (vgl. Miller 1956). Dies besagt, dass sich unser Arbeitsgedächtnis maximal 7 (± 2) Informationseinheiten merken kann. Zwar kann man durch die Bildung von „Chunks“ die Einheiten verdichten und sich so insgesamt mehr Informationen merken (Man kann sich die Zahlen 14092017 einzeln merken oder sie zu einem Chunk bündeln, indem man sich ein Datum merkt: 14.09.2017). Oft wird z. B. gerade bei Präsentationen mit PowerPoint die Zahl 7 hoffnungslos überschritten. Die Folien sind einfach viel zu voll. Ernüchternd fällt auch der Blick auf die Aufmerksamkeitsspanne aus. Bereits seit Langem ist für die Gestaltung von Vorträgen und Präsentationen die „20-Minuten-Regel“ bekannt (Döring/Ritter-Mamczek 2001, S. 61). Die besagt, dass nach spätestens(!) 20 min die Aufmerksamkeit der Zuhörer extrem abnimmt. Folgt dann kein Aktivitätswechsel, z. B. in Form von Reflexionsrunden, „schalten die Teilnehmer ab“. Aufgrund der erhöhten Ablenkbarkeit reduziert sich bei Online-Veranstaltungen die Zeitspanne sogar auf drei bis sieben Minuten. Ähnlich verhält es sich bei E-Learning Formaten, wo sich Kurzvideos von maximal fünf Minuten Länge als bevorzugtes Format etablieren.

Üben

Schon im alten Rom wusste man: „Repitio est mater studiorum“ – Die Wiederholung ist die Mutter des Lernens. Leider ist diese alte Weisheit in der betrieblichen Weiterbildung über weite Strecken in Vergessenheit geraten. Hier herrscht oft die illusorische Annahme vor, dass allein das Hören eines Inhalts ausreicht, um diesen auch umsetzen und anwenden zu können. Ohne ausreichende Wiederholung und Übung findet allenfalls „Bulimielernen“ statt, mit Kompetenzentwicklung hat das wenig zu tun (vgl. Erpenbeck und Sauter 2016, S. 47 f.). Denn erst durch „den üblichen Kreislauf aus Versuch, Scheitern, Feedback, erneutem Versuch und so weiter gelingt es … mentale Repräsentationen zu erschaffen“ (Ericsson und Pool 2016, S. 344). Gerald Hüther fasst die damit einhergehenden neurophysiologischen Prozesse in folgendem Bild zusammen: „Aus den anfänglich noch sehr schwachen Verknüpfungen werden, je häufiger ein Problem auf die gleiche Art und Weise gelöst wird, allmählich immer besser nutzbare Nervenwege, dann Straßen und am Ende sogar Autobahnen“ (Hüther 2016, S. 214).

Quellen:

  • Sammet, Jürgen; Wolf, Jacqueline (2019): Vom Trainer zum agilen Lernbegleiter. So funktioniert Lehren und Lernen in digitalen Zeiten.